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Deaf Journey Kunstausstellung – Interview mit Oliver Suchanek

 

Wart ihr schon in der „Deaf Journey“-Ausstellung im Volkskundemuseum? Bis zum 29. September zeigen dort sieben gehörlose Künstler:innen ihre Kunstwerke.  Unter dem Motto „Deaf Journey – Der Weg zur Identität“ geben die Künstler:innen Einblick in die gehörlose Identität und Kultur. Besonders an dieser Ausstellung ist, dass von den Kunstwerken bis zur Organisation alles von Gehörlosen kuratiert und umgesetzt wurde.  

Die Ausstellung hat Oliver Suchanek von Gebärdenverse kuratiert.  Wir haben Oliver Suchanek ein paar Fragen zur Ausstellung gestellt und darüber, wie Kunst und Kultur inklusiver werden können.

GebärdenSache: Hallo Oliver! Wie war es für dich die Deaf Journey Ausstellung zu kuratieren? Wie ist der kuratorische Prozess abgelaufen?

Oliver Suchanek: Die Kuratierung war ein langwieriger, intensiver aber lohnender Prozess, der insgesamt 9 Monate gedauert hat. Zu Beginn ging es darum, ein Konzept zu entwickeln und den Kontakt zum Museum herzustellen. Es folgten zahlreiche Meetings, sowohl mit den Kunstschaffenden als auch mit verschiedenen Instituten, Vereine und Organisationen, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt werden. Regelmäßige Zeichenabende mit den Künstler*innen waren ebenfalls Teil des Prozesses, um auf deren individuelle Bedürfnisse einzugehen. Zudem musste viel Hintergrundarbeit geleistet werden, wie das Zusammenstellen von Unterlagen, Videomaterial, Werbematerial und die Erstellung eines Ausstellungskatalogs.

Das ist nun meine zweite Kunstausstellung, die ich kuratiere, und meine Motivation ist es, daraus ein jährliches Ereignis zu machen. Ich habe gemerkt, dass die gesammelte Erfahrung entscheidend ist, und es ein kontinuierlicher Prozess ist, besser zu werden. Ein wesentlicher Unterschied zu meiner ersten Ausstellung ist, dass ich dieses Mal 3D-gedruckte, taktile Karten erstellt habe, damit auch taubblinde Personen die Ausstellung erleben können.

Für das nächste Jahr werde ich höchstwahrscheinlich eine*n Assistent*in mit ans Board holen, damit ich nicht wieder so viel alleine mache. 🙂

GebärdenSache: Welche Aspekte der gehörlosen Kultur und Identität sind deiner Meinung nach in der breiten Öffentlichkeit noch nicht ausreichend bekannt?

Oliver Suchanek: Es mangelt oft schon an grundlegendem Wissen. Wenn ich mir vorstelle, ob ich für jedes Mal gefragt werden, ob Gebärdensprache international ist, einen Euro bekommen würde – wäre ich so reich, dass ich allen Gehörlosen in Österreich ein Haus kaufen könnte. Damit will ich überspitzt ausdrücken, dass wir immer wieder dieselben grundlegenden Fragen zur Gehörlosigkeit, zur Österreichischen Gebärdensprache und zur Dolmetschung beantworten müssen. Dadurch bleibt uns kaum Zeit, unsere Kultur und Identität wahrhaftig zu vermitteln.

Zu Beginn meiner Arbeit bei Gebärdenverse (bzw. dem Vorgänger-Projekt „MACH’S AUF!“) wurden uns solche Fragen so oft gestellt, dass wir inzwischen Infografiken erstellt haben. Diese schicken wir bei Anfragen im Voraus zu oder hängen sie bei Veranstaltungen auf, um diese grundlegenden Informationen bereitzustellen. Auch als Sticker mit QR-Code gibt es den Zugang zu den Infografiken.

GebärdenSache: Welche Botschaft möchtest du den Besuchenden der Ausstellung vermitteln?

Oliver Suchanek: Die wesentliche Botschaft lautet „Deaf Journey – Der Weg zur Identität“. Damit möchte ich mithilfe der Gruppe an Künstler*innen die Vielfalt der gehörlosen Identitäten und Lebenswege aufzeigen. Einige von uns wachsen mit hörenden Eltern auf, andere in gehörlosen Familien, auch der Zugang zu ÖGS schaut bei uns unterschiedlich aus. Die Ausstellung soll zeigen, wie sich gehörlose Identität bei verschiedenen gehörlosen Künstler*innen entwickelt hat und was es für sie bedeutet taub zu sein.

Es ist mir wichtig, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es kein einheitliches Bild einer gehörlosen Person gibt und dass die Gehörlosen Community sich intersektional zusammensetzt. Ebenso sollte das Verständnis wachsen, dass eine offene und respektvolle Begegnung untereinander entscheiden dafür ist, dass sich eine Community gesund entwickeln kann.

GebärdenSache:Was wünschst du dir für gehörlose Künstler:innen?

Oliver Suchanek: Ich wünsche mir, dass sich gehörlose Künstler*innen einen Raum finden, indem sie sich mutig und offen, gar auch verletzlich, entfalten können, ohne Barrieren zu begegnen, um ihre Kreativität und Individualität voll auszuleben. Da hoffe ich, dass wir mit Gebärdenverse diesen Raum bieten können.

Ich wünsche mir, dass sie von gebärdensprachkompetenten Personen kuratiert werden. Es sollte ihnen möglich sein, alle Meetings in ÖGS abzuhalten, und schriftliche Kommunikation sollte auf das Nötigste reduziert und in einfacher Sprache geführt sein. Nur so können wir, gehörlose Künstler*innen, uns künstlerisch entfalten und unsere Kunst präsentieren. Aktuell müssen wir oft für unseren Zugang kämpfen, was uns so viel Zeit und (emotionale, psychische und körperliche) Energie kostet, die wir eigentlich in die Kunst investieren wollen. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass taube Künstler*innen in Gruppen arbeiten können, die aufeinander achten und sich gegenseitig unterstützen.

GebärdenSache: Was wünschst du dir für gehörlose Museumsbesuchende?

Oliver Suchanek: Ich fordere barrierefreie Museen, was mehr umfasst als nur eine Führung in ÖGS. Es macht auch einen wesentlichen Unterschied, wenn die Führung von einer gehörlosen Person auf Augenhöhe abgehalten wird, anstatt sich nur auf ÖGS-Dolmetschung zu fokussieren.

Für mich bedeutet ein barrierefreier Museumsbesuch beispielsweise auch, dass neben geschriebenen Texten oder untertitelten Videos für alle Inhalte auch Videoerklärungen in ÖGS bereitgestellt werden. Ein Museumsbesuch sollte beim Betreten des Museums bis zum Verlassen ohne Hürden und Ärger möglich sein, damit gehörlose Besuchende wirklich zufrieden sein können. Zusätzlich ist es wichtig, Museumsbesuche intersektional zu denken, so sollten beispielsweise auch gehörlose Besuchende im Rollstuhl oder taubblinde Personen Zugang zur Kunst haben.

Dieser Artikel ist im Rahmen des GebärdeSache-Newsletters entstanden. Hier kannst du dich für unseren monatlichen Newsletter anmelden:

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